Lange habe ich nichts mehr geschrieben. Das hatte natürlich seine Gründe.
Irgendwann im Herbst letzten Jahres stellte sich eine derbe Angina Pectoris, übersetzt “Brustenge” ein.
“Sie entsteht bei einer koronaren Herzkrankheit (KHK). Diese Krankheit bezeichnet einen Zustand, bei dem Herzkranzgefässe – meist aufgrund einer Arteriosklerose – stark verengt sind, wodurch das Herz schlecht durchblutet wird.” Quelle
Im Klartext, ich war kurz vor dem 3. Herzinfarkt. Und gemeinerweise passierte das auf der Hinreise in meinen letzten Kenia-Urlaub. Da ich allerdings ziemlich genau wusste, was mit mir los ist, und wie ich mich zu verhalten habe, sah ich von einer Not-Repatriierung ab, obwohl ich die erforderliche Versicherung als Vielreisender natürlich habe. Davon abgesehen hatte ich wieder eines der Top 5* Resorts in Diani gebucht, mit Halbpension, richtig guter Küche, 2 Pools und auch sonst genug Annehmlichkeiten, dass man es dort mal eine Weile aushalten könnte, ohne sich all zu viel bewegen zu müssen.
Also habe ich mir eine Krankenschwester und über sie, mit ihren Beziehungen einen entsprechenden Blutverdünner (Plavix) besorgt, der Schlimmeres verhindern sollte. Und so habe ich diese 13 gebuchten Nächte, zwar irgendwie in “Zeitlupe”, aber wenigstens am Urlaubsort in schöner Umgebung verbracht. Ich durfte nur nicht weiter als ca. 150-200m gehen, sonst blieb mir wieder die Luft weg und die Brust zog sich (gefühlt) zusammen.
Meinen Hausarzt hatte ich per Email über meinen Zustand informiert, und ihn gebeten, mich direkt nach meiner Rückkehr im USZ, dem Unispital Zürich, anzumelden. Dort wurde das Stent-Verfahren erfunden und weiterentwickelt, die Kardiologie ist auf höchstem Niveau, und die hatten mir auch schon mal vor 13 Jahren die Pumpe gerettet. Ich ging davon aus, wie beim letzten Mal, als ich auch im Urlaub diese Probleme, und damals sogar mit Infarkt, bekam, dass man mich umgehend nach Rückkehr behandeln würde. 2011 war ich keine Woche nach meiner Rückkehr im OP für die Koronarangiographie.
Doch Diesmal sollte es anders kommen. Bei meiner Rückreise hatte ich das Gefühl, ich würde den Löffel abgeben, so schlimm war die Anstrengung für mich, bzw. meine Pumpe. Da ich am frühen Morgen landete, und ein Freund mich am Flughafen abholte und mir auch mein Gepäck nach Hause brachte, ging ich direkt zum Hausarzt. Der sagte mir, er hätte mich wunschgemäss 2 Wochen zuvor im USZ angemeldet und ich sollte doch bereits den Termin haben. Gleichzeitig checkte er umgehend mein Blut auf Troponin und andere Anzeichen für einen Infarkt. Glücklicherweise hatte ich diesmal noch keinen, auch weil ich aus Erfahrung genau wusste, wie ich mich zu verhalten hatte. Das war endlich ein positives Zeichen. Aber leider hatte ich noch keinen Termin für’s USZ.
Nach tel. Rückfrage hatte man das vergessen, aber die freundliche Dame am Telefon versprach mir, dass ich umgehend einen Termin zur Untersuchung per Email und Post bekommen würde. Und sie hatte auch Wort gehalten, die Email kam schnell, aber der Termin war erst 1,5 Monate später ! Ich rief natürlich umgehend dort an und fragte, warum man mich in dem Zustand so lange warten liesse, und bekam zur Antwort, dass ich ja noch keinen Infarkt hatte, und damit die dringenden Fälle vorgezogen würden. Gut, konnte ich verstehen, aber da ich das ganze Theater mit der Pumpe ja schon kannte, wusste, oder fühlte ich tatsächlich, dass ich sehr nahe an einem möglichen Infarkt bin, zumal es mal besser und mal schlechter war, was auf eine sog. “instabile Angina Pectoris” hindeutete, die recht gefährlich ist. Trotzdem bekam ich keinen früheren Termin, wahrscheinlich auch, weil ich in meiner KV bei Abschluss, für Krankenhausbehandlung aufgrund meiner Vorgeschichte und Gewicht keine “Extrawürste” dazu buchen durfte. Nun denn, also warten und so lange nichts tun.
Ende November ’23 war es endlich so weit. Ich hatte meinen Termin im “Circle” am Flughafen, wo das USZ die Ambulanz untergebracht hat. Alles sehr schick und modern dort, und wenn man da mit dem Auto hinfährt, zahlt man auch Flughafen-Parkgebühren…
Dann kam der Hammer, nach Ultraschall, Aderlass und Gespräch mit einer Kardiologin kam dann der Ober-Kardiologe an und meinte, ich müsse mit meiner “instabilen Angina Pectoris” (ich hatte also recht) sofort stationär aufgenommen und einer Koronarangiographie unterzogen werden. Ich solle mein Auto stehen lassen, und man würde mich per Ambulanz ins USZ in der Stadt bringen. Dann war ich erstmal stinkig und habe den Arzt angepfiffen. Da überlässt man mich 1,5 Monate daheim meinem Schicksal in dieser Situation, kein Mensch schert sich um meinen Zustand, und dann muss es auf einmal schnell gehen und ich soll mein Auto ausgerechnet im Flughafenparkhaus stehen lassen, wo ich für 2h bereits CHF 10 abdrücken darf !? Das habe ich dann abgelehnt und habe -auf Eigenverantwortung- mein Auto heimgebracht und mich von einer guten Freundin ins USZ fahren lassen, wo man angeblich in der Notaufnahme auf mich vorbereitet wäre…
Selbstverständlich wussten die gar nix von mir und so wurde ich erstmal behandelt wie ein normaler Notfall, und irgendwo geparkt, angeschlossen an einen Überwachungsapparat…
….und das bis nachts um 2:30 Uhr, dann hat man es endlich gerafft und mich auf Station gebracht. Und wenigstens in ein Einzelzimmer.
Es kam wie es kommen musste…da man geschlafen hatte, wurde nichts für die Koronarangiographie am nächsten Tag (Samstag) vorbereitet und so kam am Nachmittag dann eine Ärztin an, und meinte, ich müsse erstens in ein Mehrbett-Zimmer verlegt werden und zweitens könne der Eingriff erst Montag oder Dienstag gemacht werden. Tja, nicht mit mir sowas… Ich sagte ihr dann, dass ich nach Hause fahre und dort auf meinen Termin warte, denn da habe ich mehr Ruhe und weniger Stress als mit dem ganzen Krankenhaus-Hick-Hack ! Sie schaute mich mit tief betroffenem Gesicht an, versuchte es mir kurz auszureden, verstand dann dass ich mich nicht davon abbringen liesse, und meinte nur noch “aber dann auf Ihre eigene Verantwortung…”. War mir egal, ich unterschrieb den Wisch und Eli, die bereits seit dem Morgen da war, brachte mich nach Hause, wo ich endlich Ruhe fand, es mir besser als im Spital ging und ich auf meinen “Stellungsbefehl” wartete. Der kam dann am Montag für den Dienstagmorgen.
Ich fand mich also pünktlich ein und wurde in einer Art Wartesaal untergebracht, mit 7 Anderen, die auch auf diese Art Eingriff warteten und vorbereitet wurden. Diesmal war alles anders, perfekter Service, absolut freundliches Pflegepersonal, ich bekam einen frischen Kaffee, Wasser, alles was ich wollte. Die fanden sogar so ein “Totenhemd” in meiner Grösse und ich bekam einen Zugang gelegt und schonmal Heparin, den gängigsten Blutverdünner, für den Eingriff.
Bei der Koronarangiographie kommt man auf eine Art OP-Tisch und um die Brust herum befinden sich, in einem halben Oval angeordnete, mehrere bewegliche Röntgenapparate, die der Kardiologe mit Fusssteuerung in die gewünschte Position bringen und auf einem grossen Monitor, mittels einem Kontrastmittel, das in den Blutkreislauf eingebracht wird, sehen kann, was meine Pumpe und vor allem meine Blutgefässe drumherum so machen, oder eben nicht mehr. Gleichzeitig wird nach örtlicher Betäubung eine Sonde in die Unterarmarterie bis ins Herz geschoben, die dort, mittels einem mit Hochdruck (ca. 18-20+ Bar) aufblasbaren, kleinen Ballon, leichte Verengungen durch Plaque (entweder Kalk, oder Cholesterin-Lipide, oder beides) zur Seite drücken und damit beseitigen kann. Schlimmere Verengungen werden zusätzlich mittels eines sog. “Stents”, einem beschichteten Gitter aus Edelmetallen, auseinandergedrückt und auch gehalten. In der Regel dauert das nicht sehr lange und ist nur in kurzen Momenten etwas schmerzhaft. Beim ersten Mal in 2011 war das in knapp 30 min erledigt und der Stent sass.
Da man dabei, abgesehen von einer “Scheissegal-Pille / Injektion” wach ist, kann sich der Kardiologe mit einem unterhalten. Und als dieser meine Pumpe die ersten paar Minuten begutachtet hatte, meinte er, das würde eine Weile dauern, denn da wäre einiges zu machen und ich solle bitte durchhalten. Witzigerweise waren der Arzt und sein Assistent Italiener, und so sprachen sie untereinander italienisch, in dem Glauben ich würde davon als Deutscher eh nix verstehen. So wusste ich immer was sie tun, und ob alles ok war oder nicht. Es war alles ok, ausser dass viel zu beheben war. Einige Zeit später wurde ich mal gefragt, ob es mir gut ginge, worauf ich dann in italienisch antwortete “Si, sto ancora bene, grazie.” Dann war erstmal ein Moment Ruhe….
Den Unterarm ohne Fixierung so verdreht zu halten, dass der Arzt sauber arbeiten konnte, war schwierig und wurde bald sehr schmerzhaft, natürlich auch, weil die örtliche Betäubung nur für relativ kurze Zeit angelegt war. Das wurde nach ca. einer Stunde unerträglich und ich beschwerte mich, nachdem der Arzt meinte, ich würde das wirklich gut machen und ihm mit meiner Ruhe helfen, sauber zu arbeiten. “Ich könne das nicht mehr lange so”, sagte ich ihm ehrlich. Er hat mich dann durch eine offensichtlich recht grosszügige Dosis Morphium von den Schmerzen erlöst und nach insgesamt 2,5h war das ganze endlich vorbei und ich wurde auf Station gebracht, wo ich den Rest des Tages breit und blöd grinsend im Bett rumlag. Nur unterbrochen von den Schwestern die mir irgendwas verabreichten, oder Servicepersonal, das mich mit Kaffee und sonstigem versorgte. Ab und zu ein Arzt, der nach mir sah.
Mein Handgelenk, wo man mit der Sonde in die Arterie ging, wurde mit einem heftigen Druckverband dicht gemacht und dann stündlich etwas gelockert. Später war da tagelang dieses hässliche Loch zu sehen, das -wegen der Blutverdünner- nur langsam verheilte.
Ich war von dem Morphium noch den ganzen Tag breit und recht gut gelaunt…
Am nächsten Morgen wurde ich entlassen, da alles stabil blieb und ich den Eingriff offensichtlich problemlos überstanden hatte, bzw. der Arzt gute Arbeit leistete. Am Ende entnahm ich dem Bericht, dass ich 2 Stents bekam und meine Riva-Arterie (die Haupt-Herzarterie) an 2 Stellen wieder bis zu 90% verschlossen war, vom “Kleinkram” mal abgesehen. Im Klartext, wurde die Pumpe kaum noch mit Sauerstoff versorgt, und das wirkt sich auf den ganzen Körper aus. Ein Wunder dass es diesmal ohne Infarkt ausging.
Die Story war aber noch nicht vorbei, denn ich sollte ein neues Präparat zur Blutverdünnung nehmen, welches derzeit “das Beste auf dem Markt” sei. Das habe ich mir brav am Tag der Entlassung besorgt und täglich 2 x eingenommen. Leider hat das dazu geführt, dass ich Magen-Darm-Probleme, ähnlich wie vom Gluten, mit schmerzhaften Entzündungen, Krämpfen und Durchfällen bekam. Nachdem mein “Gluten-Enzym” das nicht lindern konnte, wusste ich dass es was anderes war, und so konnte es nur der neue Blutverdünner sein. Daneben hatte ich dauernd Nasenbluten, bekam Blutergüsse, und sogar tw. Blutblasen unter der Haut, nachdem ich mich irgendwo angeschlagen hatte, und so musste ich zu meiner eigenen Sicherheit mehr oder weniger zuhause herumliegen und selbst auf mich aufpassen. Aufgrund der Magen-Darm-Probleme und der damit einhergehenden Müdigkeit, war auch kaum viel mehr möglich.
Es dauerte bis Mitte Januar, bis ich einen neuen Termin im Ambulatorium bekam, und dann aber wieder erstklassig betreut wurde, diesmal von einer Professorin, die mir auch bei der Prävention half und dafür sorgte, dass das neue Medikament gegen das bekannte und gleichermassen wirksame Plavix ersetzt wurde. Es dauerte dann noch eine gute Woche, bis ich endlich beschwerdefrei war, aber jetzt endlich kann ich die Verbesserung und nun vorhandene Energie endlich spüren und wirklich ein neues Leben beginnen.
Da ist verdammt viel zu tun. Die neu gegründete GmbH zum Laufen bringen, nebenbei, als Starthilfe, ein Projekt finden und vor allem wieder trainieren und 60 kg (!) Übergewicht loswerden. Aber da meine Pumpe keine einschränkenden Schäden aufweist, und nun wieder wie neu mit Sauerstoff versorgt wird, habe ich auch die notwendige Energie dazu. 1 Jahr, um das Übergewicht zu verlieren, gebe ich mir selbst. Das ist schon eine kleine Herausforderung, aber ich werde es schaffen. Zumal ich mich auch rigoros von einigen Menschen, vor allem falschen Freunden, die mich nur ausgenutzt hatten, befreit und das “Nein-Sagen” gelernt habe. Jede Art Beziehung sollte ein Geben und ein Nehmen und keine Einbahnstrasse sein…
Ich habe jetzt wieder 20+ Lebensjahre geschenkt bekommen, so ich was draus mache, und es ist, wie der Titel schon sagt, nach 2011, wie ein “Dritter Frühling” des Lebens. Und den werde ich jetzt erstmal geniessen, indem ich all das tue, zu dem ich die letzten Jahre aufgrund dieser Erkrankung nicht mehr fähig war.
Ich hoffe, ich muss den Sensenmann nicht nochmal überlisten, weil er vorzeitig an die Tür klopft…